In der Theorie ist Börse einfach: Man muss günstiger kaufen als verkaufen, und das so oft wie möglich. Da aber selbst erfahrene Anleger die Kursentwicklung nicht voraussagen können, helfen Strategien wie das Value-, Growth- oder Momentum-Investing. Wir haben Unterschiede und Faustregeln zusammengestellt, wann welcher Ansatz erfolgsversprechend ist.

Auf einen Blick: Value-, Growth- oder Momentum-Investing

  • Value-Investing: Diese Strategie setzt auf Aktien, die im Vergleich zu ihren Fundamentaldaten günstig bewertet werden. Anleger kaufen Value-Aktien in der Hoffnung, dass sich der Markt früher oder später anpasst und der Wert steigt. Value-Strategien sind tendenziell erfolgreicher, wenn der Markt volatil ist und Investoren nach Sicherheit suchen.
  • Growth-Investing: Growth-Aktien sind Anteile von Unternehmen, die ein schnelles Wachstum bei Umsatz, Gewinn oder Cashflow verzeichnen. Anleger investieren in der Hoffnung, dass sich das Wachstumspotenzial fortsetzt und in Kursgewinnen widerspiegelt. Growth-Strategien zahlen sich tendenziell in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs oder in stabilen Märkten aus.
  • Momentum-Investing: Momentum-Aktien sind Aktien, deren Kurs in letzter Zeit stark gestiegen ist. Anleger mit dieser Strategie setzen darauf, dass sich diese Entwicklung fortsetzt. Studien zufolge sind die besten Momentum-Aktien jene, die sich gleichmäßig und mit geringen Schwankungen nach oben entwickeln. 

Strategie mit Bedacht wählen

Ob Value, Growth oder Momentum: Keine Strategie bietet ein 100-prozentiges Erfolgsversprechen. Bei der Wahl Ihrer Strategie sollten Sie die Marktlage und Ihre Anlageziele sorgfältig berücksichtigen. In der Hanseatischen Anleger Community erhalten Sie mit Hintergrundinformationen, Marktanalysen und dem gegenseitigen Austausch das nötige Rüstzeug. Die Basis-Mitgliedschaft ist kostenlos.

Value-Investing im Detail

Value-Investoren konzentrieren sich auf Aktien, die vom Markt unterbewertet sind, d.h. Aktien, deren Preis niedriger ist als ihr wahrgenommener Wert.


„Was hoch gestiegen ist, muss auch wieder zurückkommen“
(What goes up, must come down)


In günstig bewertete Aktien investieren

Dieses Zitat beschreibt den Mean-Reversion-Effekt, zu deutsch Mittelwertumkehr. Er tritt an den Märkten immer dann auf, wenn es zu Übertreibungen kommt, die wieder bereinigt werden. Manchmal geht es schneller und andere Male dauert es lange. Aber früher oder später kommen die Aktienbewertungen auf ihr fundamental angemessenes Niveau zurück. Und genau davon profitieren Value-Anleger, die sich auf Investments in günstig bewertete Aktien spezialisieren.

Value-Strategie belohnt Anleger mit langem Atem

Langfristig gibt es an der Value-Strategie nichts zu rütteln. Das zeigen sowohl theoretische Rückrechnungen als auch praktische Ergebnisse berühmter Value-Investoren wie Warren Buffett. In der letzten Dekade gab es zwar eine sehr lange Durststrecke, aber inzwischen hat der Trend gedreht und belohnt diejenigen, die dem Ansatz treu geblieben sind. Das Aufholpotenzial gegenüber Wachstumsaktien ist dabei immer noch erheblich, sodass Value auf viele Jahre hin besser laufen dürfte. Es ist auch nicht das erste Mal, dass der Effekt ein Comeback feiert. Schon zum Ende der Dotcom-Blase in den Jahren 1999 und 2000 gab es eine vergleichbare Situation.

Solide ökonomische Basis

Die grundsätzliche Strategie, auf fundamental günstig bewertete Aktien zu setzen, lässt sich mindestens bis in die 1930er Jahre zurückverfolgen. Historisch betrachtet hat Value demnach höhere Renditen erzielt als Growth. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich der Ansatz durch solide ökonomische Erklärungen begründen lässt. Einerseits sind Value-Aktien mit hohem Buchwert/Marktwert-Verhältnis aus fundamentaler Sicht riskanter, da etwa ein größeres Pleiterisiko besteht, und bieten deshalb höhere Renditen als „Entschädigung“.

Value-Investing bietet Sicherheit in schwierigen Zeiten

Andererseits kann es Fehlbewertungen aufgrund von Verhaltenseffekten geben, wie es zum Beispiel in den letzten Jahren der Fall war: Geraten Value-Aktien für eine Weile außer Mode und werden deren Zukunftsaussichten pessimistisch eingeschätzt, können deutliche Unterbewertungen auftreten. Diese werden durch höhere Renditen aufgeholt, wenn Investoren die jeweiligen Titel wiederentdecken. Dann können Value-Anleger, die vorübergehende Schwächeperioden aushalten, insgesamt eine Prämie erzielen. Die beiden Erklärungen geben Anlegern das notwendige Vertrauen, die Strategie auch in schwierigen Zeiten durchzuhalten.

Growth-Investing im Detail

Auch beim Growth-Investing geht es um Wachstumspotenzial. Im Gegensatz zur Value-Strategie konzentrieren sich Anleger aber nicht auf unterbewertete Aktien, sondern auf Unternehmen, die im Vergleich zum Gesamtmarkt besonders hohe Umsatz- und Gewinnwachstumsraten aufweisen.

In welchen Branchen sind Growth-Aktien zu finden?

Growth-Unternehmen sind meist in hoch-innovativen Branchen zu finden wie der Tech-Branche, der Gesundheitsökonomie und Biotechnologie oder im Bereich Erneuerbare Energien. Auch im Bereich Konsumgüter und Dienstleistungen können Growth-Anleger fündig werden.

Risiken der Growth-Strategie

Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial weisen oft hohe Bewertungen auf und können daher riskanter sein als andere Anlagen. Wenn die Erwartungen des Marktes nicht erfüllt werden, können hohe Verluste drohen. Hinzu kommt, dass viele Growth-Unternehmen noch nicht etabliert sind und sich oft in einem dynamischen Umfeld mit vielen Wettbewerbern befinden.


„Der Trend ist dein Freund“
(The trend is your friend)


Momentum-Investing im Detail

Nicht alles, was hoch steigt, muss an der Börse wieder zurückkommen. Für eine gewisse Zeit ist es sogar wahrscheinlicher, dass sich eine Bewegung weiter fortsetzt, wenn sich bereits ein stabiler Trend entwickelt hat. Dieser Effekt wird als „Momentum“ bezeichnet und führt unter Anlegern immer wieder zu Erstaunen. Doch wissenschaftlich ist das Ganze umfangreich dokumentiert und wurde für Zeiträume von bis zu zwölf Monaten wiederholt bestätigt. Es handelt sich dabei um die wahrscheinlich größte bekannte Anomalie am Kapitalmarkt.

Positiver Trend nach anfänglicher Unterreaktion

Eine gute Erklärung für Momentum sind die Verhaltenseffekte der Marktteilnehmer. Wenn ein Unternehmen beginnt, gute Zahlen oder einen besseren Ausblick zu veröffentlichen, sind viele zunächst skeptisch, sodass der Kurs weniger deutlich reagiert als eigentlich angemessen wäre. Wenn sich die bessere Einschätzung dann im Lauf der Zeit bestätigt, zieht der Kurs nach, um die anfängliche Unterreaktion aufzuholen. Dabei bildet sich ein positiver Trend heraus, dem Anleger dann so lange folgen, wie dieser intakt ist. Doch das ist leichter gesagt als getan, da sie dem Drang widerstehen müssen, ihre Gewinne vorzeitig mitnehmen zu wollen. Auf einen intakten Trend zu setzen ist zudem einfacher, als mittels fundamentaler Daten schon im Vorfeld einen Turnaround „herbei analysieren“ zu wollen.

Gleichmäßiger Anstieg und wenig Schwankungen

Im Lauf der Zeit werden immer mehr Marktteilnehmer auf den Trend aufmerksam, was zu einer Beschleunigung oder Überreaktion führen kann. Hierin besteht auch das Risiko des Ansatzes, da die Bewegung infolge erhöhter Volatilität abbrechen kann. Studien zufolge sind die besten Momentum-Aktien jene, die sich gleichmäßig und mit geringer Volatilität nach oben entwickeln. Wenn dabei auch die Fundamentaldaten ein gewisses Momentum entwickeln, ist das umso besser. Letztlich gilt also die Prämisse des günstigen Einkaufs und teuren Verkaufs auch bei Momentum-Werten, nur in etwas anderer Form: Hier wird teuer gekauft und noch teurer verkauft. Gleichzeitig besteht die mentale Herausforderung darin, nahe der Hochs des Kursverlaufs zu kaufen, was im Chart anfangs wenig attraktiv erscheint. Aber nicht selten steigen die Kurse in einem Trend noch viel weiter, sodass der Einstieg im Nachhinein tatsächlich relativ günstig sein kann.

Gleichmäßiger Anstieg und wenig Schwankungen

Diese Grafik stammt aus einer sehr alten Studie, verdeutlicht aber einen grundlegenden Zusammenhang. Während sich die Kurse der größten Gewinner und Verlierer auf einem Zeitraum von bis zu zwölf Monaten eher prozyklisch entwickeln (Momentum), ist es bei einer langfristigen Ranking-Periode von fünf Jahren – wie hier untersucht – umgekehrt. Für Anleger heißt das, Momentum-Werte zu meiden, die schon sehr lange stark steigen bzw. fallen, da diese Titel zunehmend in den langfristigen Value-Bereich abdriften und damit ein gegenteiliges Signal senden.

Diese Grafik stammt aus einer sehr alten Studie, verdeutlicht aber einen grundlegenden Zusammenhang. Während sich die Kurse der größten Gewinner und Verlierer auf einem Zeitraum von bis zu zwölf Monaten eher prozyklisch entwickeln (Momentum), ist es bei einer langfristigen Ranking-Periode von fünf Jahren – wie hier untersucht – umgekehrt. Für Anleger heißt das, Momentum-Werte zu meiden, die schon sehr lange stark steigen bzw. fallen, da diese Titel zunehmend in den langfristigen Value-Bereich abdriften und damit ein gegenteiliges Signal senden.

Quelle: DeBondt, W. / Thaler, R. (1985), Does the Stock Market Overreact?, Journal of Finance 40, Nr. 3