In einer Ära, in der die Wegwerfkultur Hochkonjunktur hatte und Ressourcen als selbstverständlich gelten, wirft die Kreislaufwirtschaft, oder auch Circular Economy, einen skeptischen Blick auf unser lineares Wirtschaftsmodell. Die Vorliebe für Einwegprodukte und übermäßigen Konsum hat mit der Zeit zu einem ökologischen Dilemma geführt. Doch anstatt sich in dessen Tragik zu verlieren, präsentiert die Kreislaufwirtschaft eine intelligente Alternative: aus „Take-make-waste“ wird „Take-make-reuse“ – ein Paradigmenwechsel, der nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich Sinn macht.

Von Hans Christian Gröhn

Natürlich können Unternehmen unter dem Vorwand, in Zukunft nachhaltiger mit Ressourcen umzugehen, leicht versuchen sich einen Marketingvorteil zu erschleichen. Für die Bewertung dieser Strategien ist also ein genaues Hinschauen unvermeidlich, gleichzeitig aber auch lohnenswert, denn hinter der scheinbaren Grünfärbung verbirgt sich eventuell tatsächlich eine vielversprechende Investmentchance. Dieser Artikel wirft einen Blick auf die Technologien, Unternehmen und die ökonomischen Vorteile der Kreislaufwirtschaft, um zu zeigen, warum diese nicht nur für Umweltaktivisten, sondern auch für Anleger eine lohnende Überlegung sein sollte.  

Aller Anfang ist schwer

Zuallererst soll sich die Frage gestellt werden, was der signifikante Unterschied bei der Kreislaufwirtschaft bzw. Circular Economy zu herkömmlichen Produktionsabläufen ist.

Die Circular Economy ist ein Wirtschaftsmodell, das darauf abzielt, Ressourcen effizienter zu nutzen, Abfall zu minimieren und ökologische Auswirkungen zu reduzieren. Im Gegensatz zum linearen Wirtschaftsmodell, das auf „Nehmen, Produzieren, Verbrauchen und Wegwerfen“ basiert, sieht die Kreislaufwirtschaft eine kontinuierliche Wiederverwendung von Ressourcen vor. Der Kerngedanke steht folglich bereits ganz am Anfang Produktion: beim Produktdesign. 

Das Produktdesign gibt vor, wie ein Produkt beschaffen sein muss, damit es selbst bzw. seine Komponenten möglichst lange im Wirtschaftskreislauf verbleiben können, bevor es schließlich tatsächlich recycelt werden muss. 

Neben dem klassischen Recycling kommen hier vier weitere „R’s“ zum Tragen: 

1. Refuse: Abfallvermeidung durch Ablehnung ineffizienter Produkte und unnötiger Verpackungen sowie intelligentere Entscheidungen in Bezug auf Materialien und Prozesse

2. Reduce: Reduzieren der Verwendung von verschwenderischen und nicht wiederverwertbaren Produkten.

3. Reuse: Wiederverwendung so vieler Materialien und Produkte wie möglich. Ablehnung der Wegwerfkultur und des Einwegdesigns.

4. Repurpose: Neuverwenden von Gegenständen, die nicht abgelehnt, reduziert oder wiederverwendet werden können. Es müssen neue Verwendungszwecke für alte Gegenstände gefunden werden.

Eine Herausforderung an die Materialwirtschaft

Beim Design werden bereits hohe Anforderungen an die einzelnen Produktionsfaktoren gestellt. Unternehmen, ebenso wie Forschungseinrichtungen, arbeiten mit Hochdruck daran, neue Werkstoffe zu entwickeln, die eine wesentliche höhere Wertigkeit haben, besser verarbeitet und gut weiterverwertet werden können und gleichzeitig in der Herstellung wirtschaftlich bleiben. Eine enorme Herausforderung, die, während die Idee der Kreislaufwirtschaft gar nicht mehr so neu ist, selber noch in den Kinderschuhen steckt, wenn es darum geht, solche Werkstoffe zu entwickeln und letztendlich auch zu produzieren. Insbesondere in der Chemie- und Stahlindustrie ist man sich dieser Herausforderung bewusst. Die deutschen Unternehmen BASF und auch Thyssenkrupp haben bereits die Bedeutsamkeit von Fortschritten bei der Circular Economy unter Rücksichtnahme auf die bekannten Herausforderungen in ihre Unternehmensstrategien aufgenommen.

Gestern noch eine Plastikflasche, morgen vielleicht schon ein neuer Teppich?  Verbesserte Sortiersystheme führen zu qualitativ hochwertigerem Ausgangsmaterial.

Während für Unternehmen wie Thyssenkrupp vor allem die Langlebigkeit der produzierten Werkstoffe im Fokus steht, beschäftigt sich die Chemieindustrie ebenso mit der Frage, wie man einen Stoff möglichst restlos wieder in seine Ausgangsbestandteile zurückversetzen oder effizienter umformen kann. Dies könnte zum Beispiel die Umwandlung eines Polymers zum Monomer sein. Diese Auflösung schafft dann das Ausgangsmaterial für eine Neugestaltung. Ebenso sauber und präzise wie die Produktion eines hochwertigen Endproduktes sollte auch seine Rückumwandlung ablaufen.

Nichts geht ohne die richtige Technologie 

Wie bei jedem Thema der Rubrik Megatrends ist die Digitalisierung und die (Weiter-) Entwicklung neuer Technologien der Schlüssel für den Erfolg oder Misserfolg einer Branche und somit auch für den Erfolg eines Megatrends. Für die Kreislaufwirtschaft sind vor allem folgende Bereiche von großer Relevanz:

IoT und Datenanalyse:

Die Integration des Internet of Things (IoT) ermöglicht eine präzise Überwachung von Ressourcenflüssen und Produktlebenszyklen. Sensoren sammeln Echtzeitdaten, die anschließend analysiert werden, um Optimierungspotenziale aufzudecken. Unternehmen können so ihre Produktion besser steuern und Ressourcenverluste minimieren. Marktführende Unternehmen, die diese Technologie anbieten, können somit wichtigen Einfluss auf andere Megatrends wie eben auch den der Kreislaufwirtschaft nehmen. Als Beispiele seien hier PTC Inc., Cisco Systems Inc. oder Skyworks Solutions Inc. genannt.

Künstliche Intelligenz (KI):

KI-Algorithmen analysieren große Datenmengen, um Muster und Zusammenhänge zu identifizieren. Im Kontext der Kreislaufwirtschaft wird KI oft für automatisierte Sortierung und Qualitätssicherung eingesetzt. Sie verbessern die Effizienz von Recyclingprozessen und ermöglichen eine präzisere Trennung verschiedener Materialien, was die Qualität der recycelten Produkte erhöht. Das norwegische Unternehmen Tomra Systems ASA, welches seinen Fokus ursprünglich nur auf Leergutrücknahmeautomaten gelegt hatte, ist inzwischen einer der Marktführer bei KI-gestütztem automatisiertem Recycling oder Sortiermaschinen in der Lebensmittelindustrie und dem Bergbau. 

Blockchain-Technologie:

Eine Blockchain ist eine dezentrale, transparente und manipulationssichere Datenbank. Im Kontext der Kreislaufwirtschaft wird sie verwendet, um eine bessere Rückverfolgbarkeit entlang der Lieferkette zu gewährleisten. Dies ermöglicht es, den Ursprung von Materialien genau zu bestimmen und sicherzustellen, dass Produkte aus nachhaltigen Quellen stammen. Unternehmen wie Advanced Micro Devices Inc. (AMD), International Business Maschines (IBM Corp.) oder NVIDIA gelten hier als echte Vorreiter.

3D-Druck:

Der 3D-Druck eröffnet neue Wege in der Produktion, indem er personalisierte Produkte herstellt und Materialverschwendung minimiert. Diese Technologie unterstützt auch die Schaffung von Produkten mit längerer Lebensdauer und einfacherer Reparierbarkeit. Schon längst ist 3D-Druck nicht mehr nur im Miniaturformat durchführbar. Die Technologie ist bereits in der Lage, ganze Bausätze für große Maschinen oder gar Häuser zu fabrizieren. Einer Spezialisierung unter den Anforderungen einer effizienten Circular Economy steht somit ebenfalls nichts im Wege. Marktteilnehmer wie Proto Labs Inc. oder Dassault Systemes SE haben sich durch die von Ihnen angebotenen Lösungswege bereits positiv hervorheben können. Auch in ein Unternehmen in Norddeutschland ließe sich hier indirekt investieren: Das Lübecker Unternehmen SLM Solutions, welches sich auf den 3D-Druck mit Metallen spezialisiert hat, wurde im Jahr 2022 ein Übernahmeangebot durch den Technik-Riesen Nikon übernommen.

Ausblick

Trotz der wie bei vielen Megatrends vorherrschenden Probleme wie etwa hohen Restrukturierungskosten, bürokratischer oder politischer Gängelei und schlichter Trägheit bei den Akteuren bietet die Kreislaufwirtschaft eine überaus logisch erscheinende Möglichkeit, wirtschaftliche Produktion mit nachhaltiger Produktion zu vereinen. Eine klare Strategie, Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Schaffung von Anreizen können dazu beitragen, den Fortschritt in Richtung einer effektiven Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen.

Weltweit führende Unternehmensberatungen wie etwa PwC oder EY (Kurzform für Ernst & Young) haben schon lange erfasst, welche Vorteile die Kreislaufwirtschaft für Ihre Mandantschaft birgt und hier eine eigene Beratungsnische geschaffen. Emanuel Chibesakunda, Partner bei PwC und Spezialist für Circular Economy sowie Nachhaltigkeitsberatung fasst zusammen: „Die Kreislaufwirtschaft gibt Unternehmen die Chance, sich Wettbewerbsvorteile zu sichern, neue Einnahmequellen zu erschließen und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Einflüssen zu erhöhen. Kurzum: Die Kreislaufwirtschaft bietet Lösungen für einige der drängendsten Fragen, mit denen sich Unternehmen heutzutage konfrontiert sehen.“ 

Besser könnten auch wir es hier nicht zusammenfassen. Die Kreislaufwirtschaft ist nicht nur ein Umwelttrend, sondern auch ein bedeutender Wirtschaftstreiber. Investitionen in Unternehmen, die auf Nachhaltigkeit setzen, könnten nicht nur die Umwelt unterstützen, sondern auch für Aktionäre attraktive Renditen bieten. Unternehmen, die den Wandel hin zu einer ressourceneffizienten Wirtschaft vorantreiben, könnten die Gewinner in einer zukünftigen, nachhaltigen Wirtschaftslandschaft sein. 

Abschließend noch ein kleiner Tipp für Interessierte: 

Falls Sie dieses Thema, das wir hier nur ganz oberflächlich behandelt haben, ebenso faszinierend finden wie wir, lohnt sich ein Blick auf die Website der Ellen MacArthur Foundation (www.ellenmacarthurfoundation.org), die sich mit Nachdruck für eine Beschleunigung des Fortschritts im Bereich der Kreislaufwirtschaft einsetzt.